Der Unterversicherungsverzicht: Wir bringen Licht ins Dunkel

Jeder meint, er hätte einen, aber bei den wenigsten schützt er im Ernstfall wirklich: der Unterversicherungsverzicht. Wir haben uns mit einem unterhalten, der weiß, auf was es ankommt und wie man sich effektiv vor bösen Überraschungen schützt: E+H Versicherungsexperte Christian Weißflog.

Jeder meint, er hätte einen, aber bei den wenigsten schützt er im Ernstfall wirklich: der Unterversicherungsverzicht. Wir haben uns mit einem unterhalten, der weiß, auf was es ankommt und wie man sich effektiv vor bösen Überraschungen schützt: E+H Versicherungsexperte Christian Weißflog.

Christian, wie oft erkennt Ihr bei erfolgter Mandatierung einer neuen Hausverwaltung das Thema Unterversicherung?

Christian: Regelmäßig, da nur im Einheitentarif die Unterversicherungsproblematik wirklich gelöst werden kann. Erfahrungsgemäß können die Verwalter auch nicht jedes Jahr mögliche wertsteigernde bauliche Veränderungen in Erfahrung bringen. Ein fundierter Versicherungscheck ist bei uns im Haus ein zentraler Bestandteil des On-Boardings.


Hier fallen solche Deckungslücken schon auf, bevor ein Unternehmen oder eine WEG bei uns Kunde wird. Ich kann vor diesem Hintergrund aber durchaus sagen, dass Gebäude am Markt sehr häufig unterversichert sind, aber im Zuge
unserer Zusammenarbeit wird diese gefährliche Lücke geschlossen.

Welche Größenordnung ist bei einer solchen Lücke zwischen Schadenhöhe und Versicherungsleistung,die durch eine Unterversicherung bedingt wurde, realistisch?

Christian: Was das Risiko angeht, bewegen wir uns hier überraschend schnell in Millionenhöhe, insbesondere in Zeiten steigender Kosten. Umso wichtiger ist es, das gesamte Portfolio fortwährend im Blick zu behalten und dieses Portfolio auch entsprechend neu zu bewerten und fortzuschreiben. Damit konnte ich ein solches Szenario im Schadenfall in meiner Laufbahn komplett vermeiden.

Nun gibt es in zahlreichen Versicherungsverträgen einen Unterversicherungsverzicht, warum gibt es doch häufig Probleme?

Christian: Der Unterversicherungsverzicht alleine besagt nicht, dass im Falle einer tatsächlichen Unterversicherung der Versicherer auch den gesamten Schaden ersetzt. Es ist grundsätzlich lediglich eine Klausel, welche einen rechtlichen Anspruch nach VVG (Versicherungsvertragsgesetz) seitens des Versicherers ausschließt.


Hier heißt es in § 75, dass der Versicherer bei einer erheblichen Unterversicherung nur der Leistung im Verhältnis von Versicherungssumme und Versicherungswert nachkommen muss. Das hilft an sich noch nicht entscheidend weiter, denn die Versicherungssumme ist weiterhin die Obergrenze dessen, was eine Versicherung im Schadenfall leisten muss und das kann eine Deckungslücke bedingen, nicht nur bei einem Totalschaden.


Ist ein Gebäude mit einem Wert von 500.000 Euro mit einer Versicherungssumme von 400.000 Euro abgesichert, besteht eine Lücke von 20 %. Ereignet sich nun ein Schaden in Höhe von 100.000 Euro, ist die Versicherung lediglich zur Deckung von 80 % d. h. von 80.000 Euro verpflichtet. Ein Unterversicherungsverzicht verhindert das. Wenn dieser vereinbart ist, zahlt die Versicherung die gesamten 100.000 Euro. Aber die Obergrenze verbleibt bei 400.000 Euro, was bedeutet, dass nach diesem Modell bei einem Totalschaden von 500.000 Euro der Versicherungsnehmer auf 100.000 Euro sitzen bleibt. Davor schützt nur eine permanente Anpassung der Versicherungssumme, was in der Praxis kaum realisierbar ist, oder eine Versicherung im Einheitenmodell.

DIE LÖSUNG

Die einzig richtige Möglichkeit, dieses Thema in den Griff zu bekommen, ist das sogenannte Wohneinheitenmodell.

Wir halten fest, dass Unterversicherungsverzicht und Unterversicherungsverzicht nicht automatisch das gleiche ist. Auf was muss bei der Auswahl des Versicherungsvertrags geachtet werden, wenn wir einen wirklichen Schutz vor einer Unterversicherung wollen?

Christian: Ja, das entscheidende ist eigentlich mehr das zugrunde gelegte Modell. Das klassische Wert-1914-Modell schreibt die Gebäudewerte seit 1914 mit einem fiktiven Anpassungsfaktor fort. Das ist heute aber nicht mehr die Realität und darin liegt das Risiko. Im Übrigen betrifft dieses Risiko nicht nur Gebäudeeigentümer, sondern auch Hausverwalter, die für einen zeitgemäßen Versicherungsschutz haften.


Es muss darauf geachtet werden, dass der Versicherungsvertrag das Wohneinheitenmodell anwendet. Das ist die einzig wirksame Option, um Deckungslücken durch falsche Versicherungssummen auszuschließen. Wurde die Anzahl der Wohn- und Gewerbeeinheiten im Gebäude korrekt angegeben, deckt die Versicherung den kompletten Wiederaufbau gleicher Art und Güte, ganz gleich, welche Kosten dafür am Markt entstehen.


Wenn wir nun bei unserem Versicherungspartner diesen „echten“ Unterversicherungsverzicht nicht bekommen können, wie können wir unser Risiko dennoch im Griff behalten?

Christian: Man bräuchte ein fundiertes Gutachten für jedes einzelne Gebäude eines Bestandes und den darin festgehaltenen Wert müsste man laufend fortschreiben, z. B. bei wertsteigernden Maßnahmen oder Veränderungen am Markt. Das Risiko des Unterversicherungsverzichts, ohne das Wohneinheitenmodell wirksam zu beherrschen, ist also möglich, aber in der Praxis eher unrealistisch. Möchte man diesen Weg gehen, ist das mit großem administrativem Aufwand verbunden und genau das passt nicht mehr in unsere Zeit, in der wir mit effizienten Prozessen Freiräume schaffen und Kapazitätsengpässe kompensieren wollen.


An die Stelle dieses großen Verwaltungsaufwands tritt im Übrigen die aktuell so viel beachtete Fortschreibung der Indizierung, die den Markt immer im Blick hat und damit die Grundlage eines wirksamen Unterversicherungsverzichts ist.


Lieber Christian,
vielen Dank für das Gespräch!

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Jeder meint, er hätte einen, aber bei den wenigsten schützt er im Ernstfall wirklich: der Unterversicherungsverzicht. Wir haben uns mit einem unterhalten, der weiß, auf was es ankommt und wie man sich effektiv vor bösen Überraschungen schützt: E+H Versicherungsexperte Christian Weißflog.

Christian, wie oft erkennt Ihr bei erfolgter Mandatierung einer neuen Hausverwaltung das Thema Unterversicherung?

Christian: Regelmäßig, da nur im Einheitentarif die Unterversicherungsproblematik wirklich gelöst werden kann. Erfahrungsgemäß können die Verwalter auch nicht jedes Jahr mögliche wertsteigernde bauliche Veränderungen in Erfahrung bringen. Ein fundierter Versicherungscheck ist bei uns im Haus ein zentraler Bestandteil des On-Boardings.


Hier fallen solche Deckungslücken schon auf, bevor ein Unternehmen oder eine WEG bei uns Kunde wird. Ich kann vor diesem Hintergrund aber durchaus sagen, dass Gebäude am Markt sehr häufig unterversichert sind, aber im Zuge
unserer Zusammenarbeit wird diese gefährliche Lücke geschlossen.

Welche Größenordnung ist bei einer solchen Lücke zwischen Schadenhöhe und Versicherungsleistung,die durch eine Unterversicherung bedingt wurde, realistisch?

Christian: Was das Risiko angeht, bewegen wir uns hier überraschend schnell in Millionenhöhe, insbesondere in Zeiten steigender Kosten. Umso wichtiger ist es, das gesamte Portfolio fortwährend im Blick zu behalten und dieses Portfolio auch entsprechend neu zu bewerten und fortzuschreiben. Damit konnte ich ein solches Szenario im Schadenfall in meiner Laufbahn komplett vermeiden.

Nun gibt es in zahlreichen Versicherungsverträgen einen Unterversicherungsverzicht, warum gibt es doch häufig Probleme?

Christian: Der Unterversicherungsverzicht alleine besagt nicht, dass im Falle einer tatsächlichen Unterversicherung der Versicherer auch den gesamten Schaden ersetzt. Es ist grundsätzlich lediglich eine Klausel, welche einen rechtlichen Anspruch nach VVG (Versicherungsvertragsgesetz) seitens des Versicherers ausschließt.


Hier heißt es in § 75, dass der Versicherer bei einer erheblichen Unterversicherung nur der Leistung im Verhältnis von Versicherungssumme und Versicherungswert nachkommen muss. Das hilft an sich noch nicht entscheidend weiter, denn die Versicherungssumme ist weiterhin die Obergrenze dessen, was eine Versicherung im Schadenfall leisten muss und das kann eine Deckungslücke bedingen, nicht nur bei einem Totalschaden.


Ist ein Gebäude mit einem Wert von 500.000 Euro mit einer Versicherungssumme von 400.000 Euro abgesichert, besteht eine Lücke von 20 %. Ereignet sich nun ein Schaden in Höhe von 100.000 Euro, ist die Versicherung lediglich zur Deckung von 80 % d. h. von 80.000 Euro verpflichtet. Ein Unterversicherungsverzicht verhindert das. Wenn dieser vereinbart ist, zahlt die Versicherung die gesamten 100.000 Euro. Aber die Obergrenze verbleibt bei 400.000 Euro, was bedeutet, dass nach diesem Modell bei einem Totalschaden von 500.000 Euro der Versicherungsnehmer auf 100.000 Euro sitzen bleibt. Davor schützt nur eine permanente Anpassung der Versicherungssumme, was in der Praxis kaum realisierbar ist, oder eine Versicherung im Einheitenmodell.

DIE LÖSUNG

Die einzig richtige Möglichkeit, dieses Thema in den Griff zu bekommen, ist das sogenannte Wohneinheitenmodell.

Wir halten fest, dass Unterversicherungsverzicht und Unterversicherungsverzicht nicht automatisch das gleiche ist. Auf was muss bei der Auswahl des Versicherungsvertrags geachtet werden, wenn wir einen wirklichen Schutz vor einer Unterversicherung wollen?

Christian: Ja, das entscheidende ist eigentlich mehr das zugrunde gelegte Modell. Das klassische Wert-1914-Modell schreibt die Gebäudewerte seit 1914 mit einem fiktiven Anpassungsfaktor fort. Das ist heute aber nicht mehr die Realität und darin liegt das Risiko. Im Übrigen betrifft dieses Risiko nicht nur Gebäudeeigentümer, sondern auch Hausverwalter, die für einen zeitgemäßen Versicherungsschutz haften.


Es muss darauf geachtet werden, dass der Versicherungsvertrag das Wohneinheitenmodell anwendet. Das ist die einzig wirksame Option, um Deckungslücken durch falsche Versicherungssummen auszuschließen. Wurde die Anzahl der Wohn- und Gewerbeeinheiten im Gebäude korrekt angegeben, deckt die Versicherung den kompletten Wiederaufbau gleicher Art und Güte, ganz gleich, welche Kosten dafür am Markt entstehen.


Wenn wir nun bei unserem Versicherungspartner diesen „echten“ Unterversicherungsverzicht nicht bekommen können, wie können wir unser Risiko dennoch im Griff behalten?

Christian: Man bräuchte ein fundiertes Gutachten für jedes einzelne Gebäude eines Bestandes und den darin festgehaltenen Wert müsste man laufend fortschreiben, z. B. bei wertsteigernden Maßnahmen oder Veränderungen am Markt. Das Risiko des Unterversicherungsverzichts, ohne das Wohneinheitenmodell wirksam zu beherrschen, ist also möglich, aber in der Praxis eher unrealistisch. Möchte man diesen Weg gehen, ist das mit großem administrativem Aufwand verbunden und genau das passt nicht mehr in unsere Zeit, in der wir mit effizienten Prozessen Freiräume schaffen und Kapazitätsengpässe kompensieren wollen.


An die Stelle dieses großen Verwaltungsaufwands tritt im Übrigen die aktuell so viel beachtete Fortschreibung der Indizierung, die den Markt immer im Blick hat und damit die Grundlage eines wirksamen Unterversicherungsverzichts ist.


Lieber Christian,
vielen Dank für das Gespräch!