Digitale Eigentümerversammlungen – Chance mit Stolpersteinen
Eigentümerversammlungen über digitale Kommunikationswege abzuhalten, das wäre wohl der Traum vieler, egal ob aufseiten der Hausverwalter und Immobilienmanager oder aufseiten der Eigentümer. Keine langen Anfahrtswege, keine teuren Anmietungen von geeigneten Räumen und, vor aktuellem Hintergrund nicht zu verachten, kein Ansteckungsrisiko, das sich auch mit den strengsten Vorkehrungen nicht komplett vermeiden lässt, wenn eine mehr oder weniger große Gruppe von Menschen in einem Raum zusammenkommt.
Zusammenfassend könnte man festhalten, dass eine digitale Eigentümerversammlung ein hochattraktives Werkzeug werden könnte, das darüber hinaus hohe aktuelle Relevanz beinhaltet. Und dann kommt da auch noch ein neues WEG, das zusätzlich Vorfreude aufkommen lässt. Paragraf 23 deutet zumindest mal an, dass Eigentümer ihre Rechte bei einer Versammlung auch „im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können“. Doch wie ist die Praxisrelevanz wirklich zu bewerten und wie kann der Verwalteralltag von den neuen gesetzlichen Regelungen sowie den innovativen Lösungen der Entwickler konkret profitieren?
Die Entwicklung ist bekanntlich noch recht neu und lässt einen ausgewachsenen Erfahrungsschatz vermissen, daher lohnt zunächst auch ein Blick in verwandte Bereiche. Hier entdeckt man deutliche Parallelen zur digitalen Gerichtsverhandlung. „Wie auch dort wird bei der Eigentümerversammlung eine rein digitale Lösung nicht möglich sein“, so E+H Rechtsexperte Thomas Hannemann. Es muss also weiterhin einen Versammlungsort geben, an dem der Versammlungsleiter – in der Regel der Verwalter – sitzt und zu dem die Eigentümer gehen können, um dort persönlich an der Versammlung teilzunehmen. Der erste Teil des Traums, keine Versammlungsräume mehr anmieten zu müssen, scheint damit schon geplatzt, da der Verwalter auch weiterhin jedem Eigentümer einen Platz vor Ort anbieten muss. Ob Verwaltungen mit entsprechenden Erfahrungswerten auf kleinere Räume ausweichen können, muss die Zukunft zeigen.
Es ist zwar so, dass ein Verwalter im Vorfeld der Versammlung abfragen kann, wer vor Ort und wer remote teilnehmen möchte, sich auf derartige Zusagen der Eigentümer zu verlassen, birgt aber doch ein gewisses Risiko. Auch wenn ein Eigentümer angegeben hat, dass er nicht persönlich teilnimmt, kann er unerwartet vor Ort erscheinen, beispielsweise weil die virtuelle Teilnahme für ihn aus technischen Gründen nicht möglich ist. Kann ihm der Verwalter dann keinen Platz im Versammlungsraum anbieten, wäre der Eigentümer von der Teilnahme ausgeschlossen, was zur Anfechtung der gefassten Beschlüsse führen kann.
Es ist also lediglich eine hybride Veranstaltungsform denkbar, diese ermöglicht das reformierte WEG aber ausdrücklich. Nach einem Beschluss mit einfacher Mehrheit kann jede Gemeinschaft zulassen, dass eine entsprechende Kommunikationslösung eingesetzt wird. Über diese haben die Eigentümer die Möglichkeit, an den Versammlungen teilzunehmen und auch ihre Rechte auszuüben. Dies kann auch per Umlaufbeschluss entschieden werden, allerdings ist dabei dann Einstimmigkeit erforderlich.
Traum Nummer zwei ist damit durchaus realistisch und die langen Anfahrtswege einzelner Eigentümer könnten damit der Vergangenheit angehören. Und wenn in diesem Zuge die Menschengruppen minimiert werden können, die in einem Raum zusammenkommen, unterstützt diese Entwicklung auch den Infektionsschutz – zumindest ein Stück weit.
Lehnt die Gemeinschaft einen solchen Beschluss jedoch ab, ist eine virtuelle Zuschaltung nicht möglich, auch nicht für einzelne Eigentümer. Gerade vor dem aktuellen Hintergrund der Corona-Pandemie kann aber durchaus davon ausgegangen werden, dass der Ruf nach der digitalen Alternative bei den Eigentümern lauter wird und sich viele Gemeinschaften dieser Innovation öffnen.
Zu klären ist, ob der Softwareanbieter den Zwischenfall verantworten muss und ob dem Verwalter ein Schaden daraus entsteht, es sollten aber zumindest Regressansprüche infrage kommen. Thomas Hannemann
Zahlreiche offene Fragen
Wenn wir nun mal die Euphorie über diese neue, innovative Chance etwas beiseiteschieben, stoßen wir aber auch auf zahlreiche offene Fragen und Herausforderungen wie z.B. den Ablauf einer Abstimmung. „Wie muss die Kommunikationslösung gestaltet sein, dass eine zweifelsfreie Abstimmung möglich ist? Darüber brauchen alle Beteiligten Klarheit“, so Rechtsanwalt Thomas Hannemann. Spezialisierte Lösungen wie Neove haben im Gegensatz zu allgemeinen Kommunikationstools wie Zoom, Go-to-Meeting oder Microsoft Teams detaillierte Module für die verschiedenen Bestandteile einer Eigentümerversammlung entwickelt, so auch für die Abstimmung. „Sie erfolgt mit allen denkbaren Funktionalitäten und der Verarbeitung der Stammdaten“, erläutert Andreas Peikert von facilioo. Er kooperiert mit seinem Unternehmen eng mit Neove, was diese Lösung auch für Partner der E+H Gruppe unkompliziert zugänglich macht.
Nicht-Öffentlichkeit muss verlässlich sein
Nicht nur im Zusammenhang mit Abstimmungen ist die Frage der Nicht-Öffentlichkeit zu erörtern. Sie ist Voraussetzung für jede Eigentümerversammlung und lässt sich in einem Besprechungsraum, zumindest bei kleineren Gemeinschaften auch recht unproblematisch sichern. Wie verhält es sich nun aber bei einer Versammlung mit virtuell zugeschalteten Teilnehmern? Wie wird ausgeschlossen, dass nicht vom Kamerabild unbemerkt weitere Personen an der Versammlung teilnehmen und vielleicht sogar bei Abstimmungen Einfluss auf den Eigentümer ausüben? „Eine Erklärung des virtuell teilnehmenden Eigentümers im Vorfeld, mit der er versichert, die Nicht-Öffentlichkeit zu gewährleisten, könnte hier die Lösung sein“, so Hannemann. Aber wie diese genau aussehen muss, dass der Verwalter nicht später mit anfechtbaren Beschlüssen konfrontiert ist, ist aktuell noch nicht abschließend zu sagen. Eine konkrete Orientierung werden hier erst entsprechende Gerichtsentscheidungen geben. Bevor sich in der Rechtsprechung eine Marschrichtung abzeichnet, lauert an dieser Stelle wohl ein gewisses Restrisiko.
Anfechtbarkeit wegen technischer Probleme?
Ein weiteres Risiko für anfechtbare Beschlüsse kann aus technischen Problemen entstehen. Hier stellt sich die Frage, was passiert, wenn ein Teilnehmer aus technischen Gründen seine Stimme nicht abgeben kann. Im verwandten Bereich der digitalen Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft ist dies juristisch sehr strittig. Zumal zu differenzieren ist, ob die gekaufte Software oder der Internet-Provider Schuld am Ausfall hat.
„Zu klären ist, ob der Softwareanbieter den Zwischenfall verantworten muss und ob dem Verwalter ein Schaden daraus entsteht, es sollten aber zumindest Regressansprüche infrage kommen“, so Hannemann.
Dieser ergänzt: „Lässt die Internetverbindung des Eigentümers die nötige Zuverlässigkeit vermissen, muss er die Konsequenzen wohl selbst tragen bzw. sich an seinen Internet-Provider wenden.“
Wer im Einzelfall dann die Verantwortung übernehmen muss, darüber wird sich in vielen Fällen trefflich streiten lassen. Auch auf den Verwalter als Vermittler der Software könnte dabei leider die ein oder andere Diskussion zukommen.
Wer zahlt, entscheidet
Eine ganz grundlegende Frage ist auch, wer die Software kauft, die eingesetzt wird – der Verwalter oder die Gemeinschaft. Kauft sie der Verwalter und entstehen ihm dabei klar zurechenbare Kosten, vergleichbar mit einer Raummiete, kann der Verwalter diese Kosten wohl wie gewohnt auf die Gemeinschaft umlegen. Wenn nun zwar der Verwalter beim Softwareanbieter Kunde wird, die Rechnung am Ende aber von der Gemeinschaft bezahlt wird, obliegt der Gemeinschaft auch grundsätzlich die Entscheidung, welches Produkt eingesetzt wird. Der Verwalter muss also verschiedene Optionen und deren Kostenmodelle vorstellen und der Gemeinschaft die Entscheidung überlassen. Was zunächst nicht ungewöhnlich klingt, kann dazu führen, dass der Verwalter in der Praxis mit verschiedenen Anbietern und deren Lösungen arbeiten muss, was aus seiner Sicht sicher nicht optimal ist.
Aktuell ist der Markt noch sehr überschaubar, daher gilt der Blick wieder dem Anbieter Neove. Hier wird grundsätzlich der Verwalter angesprochen. Das Kostenmodell sieht eine Vergütung pro durchgeführter Versammlung vor.
Hier können die Preise von 119 Euro für kleine Gemeinschaften mit bis zu 10 Eigentümern und einer Versammlungsdauer von maximal 90 Minuten bis zu 499 Euro für maximal 100 Personen und 240 Minuten reichen.
Ob diese Mehrkosten angesichts der weiter bestehenden Raummiete bei der breiten Masse der Gemeinschaften widerstandslos durchgewunken werden, müssen die ersten Erfahrungen zeigen. Ebenso bleibt zu beobachten, wie sich das Preisniveau mittelfristig verhalten wird, wenn auch weitere Anbieter auf den Markt kommen.
Gemischtes Fazit
Momentan fällt das Fazit ohne die wichtigen Erfahrungswerte zur digitalen Eigentümerversammlung durchaus gemischt aus. Die Option einer virtuellen Teilnahme eröffnet eine gute Perspektive in eine digitalisierte Zukunft, spart darüber hinaus auch an dieser Stelle den ein oder anderen Autobahnkilometer und hilft aktuell bei der Vermeidung größerer Menschenansammlungen. Andererseits sind viele entscheidende Fragen momentan noch komplett offen. Hier müssen auf juristischer Seite die Gerichte nach und nach Klarheit schaffen und auf Marktseite sich die Anbieter immer konkreter formieren.
Was der gesamten Entwicklung helfen sollte, ist die Tatsache, dass sich die Gesellschaft in der aktuellen Zeit, wenn auch an vielen Stellen notgedrungen, mit digitalen Kommunikationskanälen vertraut gemacht hat. Für Verwalter könnte es daher eine durchaus erfolgversprechende Strategie sein, sich proaktiv gut in diesem Bereich aufzustellen. Die reinen Zusatzoptionen der distanzunabhängigen Teilnahme sowie ein gut kommuniziertes, innovatives Image können zum effektiven Wettbewerbsvorteil werden, gerade für Gemeinschaften, in denen viele Eigentümer mit längeren Anfahrtswegen vertreten sind.
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