Interview: Herausforderung Starkregen

Interview mit Kerstin Schütte und Karl Georg Schmidt

Schon seit wir denken können, beobachten wir eine Häufung von Starkregenereignissen im Spätsommer, doch die Intensität entwickelt sich in den letzten Jahren dynamisch. Trauriger Höhepunkt war zuletzt das Jahr 2021. Noch nie haben Naturkatastrophen größere Schäden verursacht als im vergangenen Jahr. Es ist aber nicht nur die Anzahl der Schäden, die aufhorchen lässt. Auch die Schadenhöhe ist bei Naturkatastrophen gewaltig. 42.000 Euro kostet nach Erhebungen des GDV ein einzelner Schaden aus einer Naturkatastrophe im Durchschnitt. Im laufenden Jahr sind wir aktuell schon wieder mitten in dieser Starkregensaison. Grund genug, um das Thema genauer unter die Lupe zu nehmen und gegebenenfalls auch am Versicherungsschutz nachzubessern. Hierzu haben wir uns mit Kerstin Schütte und Karl Georg Schmidt von E+H Versicherungsmakler unterhalten. Sie sind Experten für Gebäudeversicherungen und kennen die Sachlage genau.

Kerstin, nicht jeder empfindet einen Regen gleich. Da stellt sich doch zunächst die Frage, wann wir konkret von Starkregen sprechen.

KS: Es ist in der Tat so, dass es nicht automatisch ein Starkregen ist, wenn es mal stark regnet. Der Begriff des Starkregens ist sehr konkret vom Deutschen Wetterdienst definiert. Es muss hierzu in einer Stunde mehr als 15 Liter pro Quadratmeter regnen oder alternativ mehr als 20 Liter in sechs Stunden.  

Im Versicherungsbereich ist dieser Begriff aber nicht wirklich von Bedeutung. Hier sprechen wir von Elementarschäden und ein solcher Schaden liegt vor, wenn es entweder zu einem Rückstau wegen Überlastung des Kanalsystems oder zu einer Überschwemmung des überwiegenden Teils eines Grundstücks kommt. 

Wenn es um den Nachweis eines solchen Elementarereignisses geht, ist es jedoch ein gutes Indiz, wenn der Deutsche Wetterdienst den vorausgegangenen Regen als Starkregen einordnet. Darüber hinaus ist es immer empfehlenswert, die Überschwemmung fotografisch zu dokumentieren. 

Bei Grenzfällen wie beispielsweise bei einer nur partiellen Überschwemmung kommt es dann auf die Qualität des Rahmenvertrags an. Gute Bedingungswerke schließen solche Grenzfälle häufig ein.


Karl Georg, sind solche Elementarschäden durch die normale Wohngebäudeversicherung abgedeckt oder ist hier ein weitergehender Schutz nötig?

KGS: Für die Deckung von Elementarschäden braucht es unbedingt eine spezielle Elementardeckung. Die normale Wohngebäudeversicherung deckt das nicht automatisch ab. 


Ist so eine Elementardeckung standardmäßig in einem Gebäudeversicherungskonzept enthalten?

KGS: Bei uns im Haus ist das so, aber wir stoßen durchaus immer wieder auf Verträge, die eine Elementardeckung nicht einschließen. Hier sollte man genau hinsehen.

Am Ende ist es eben so, dass der Elementarschutz von den Versicherungsgesellschaften extra kalkuliert wird. Dabei werden die sogenannten Zürs-Zonen zugrunde gelegt, die ein Grundstück nach der individuellen Gefahr für eine Überschwemmung einordnen. Vor diesem Hintergrund können durch ein erhöhtes Risiko für die Elementardeckung durchaus spürbare Mehrkosten entstehen.

Welche Ansprüche sind durch eine Elementardeckung abgedeckt?

KS: Eine gute Elementardeckung deckt alle Substanz- und Beseitigungsschäden ab, das bedeutet sämtliche Aufräum- und Reparaturkosten sowie ein möglicher Mietausfall sind enthalten. Außerdem sind auch Schäden an Einrichtungsgegenständen gedeckt. 


Oft wird davon ausgegangen, dass mit einer Versicherung automatisch jeglicher Besitz in vollem Umfang mitversichert ist. 
Worauf muss man achten, um nicht am Ende auf hohen Kosten sitzen zu bleiben?

KGS: Grundsätzlich ist nichts verlässlich einfach so „mitversichert“. Das bedeutet, dass alles, was man versichert haben möchte, in der Police konkret beschrieben sein muss. Daher ist es unbedingt zu empfehlen, die Policen genau anzusehen oder mit einem spezialisierten Partner zusammen zu arbeiten. Vor dem Hintergrund der oft hohen Schadensummen bei Elementarschäden sollte in der Police auch genau auf eine eventuelle Höchstversicherungsleistung und auf den Selbstbehalt geachtet werden. Dieser wird bei unvorteilhaften Versicherungsverträgen oft anteilig an der Schadenhöhe
berechnet. Bei einer Überschwemmung eines größeren Mehrfamilienhauses kann ein solcher Schaden gut und gerne die Millionengrenze durchbrechen. Bei 10 % Selbstbeteiligung, was nicht ungewöhnlich ist, muss dann ein sechsstelliger Betrag selbst gestemmt werden.

Wenn wir jetzt noch schnell eine solche Versicherung abschließen wollen, greift der Schutz ab dem Tag des Antrags oder gibt es Wartefristen?

KGS: Der Versicherungsschutz greift in der Regel einen 

Monat ab Antragsstellung. Innerhalb dieses Zeitraumes 

werden entstandene Schäden nicht ersetzt.


Gibt es Schadenverhütungsmaßnahmen, die man beachten muss und deren Nichtbefolgen zum 

Ausschluss der Versicherungsleistung führen kann?

KS: Unter bestimmten Voraussetzungen können beispielsweise Rückstauklappen behördlich angeordnet sein. Ist dies der Fall, so müssen diese auch eingebaut, vorschriftsmäßig gewartet und funktionstüchtig sein. Auch weitere individuelle Anordnungen sind denkbar. Darüber hinaus müssen Gebäude natürlich baumängelfrei gehalten werden. Sind diese Dinge nicht gegeben, ist im Versicherungsfall mit Kürzungen zu rechnen. 


Vor wenigen Tagen fällte das OLG Frankfurt zu genau solch einem Fall ein Urteil. Was kann das 

für die Versicherungsnehmer bedeuten?

KS: Genau, das OLG Frankfurt fällte dort ein verbraucherfreundliches Urteil, indem es entschied, dass Pflichten des Versicherungsnehmers, in diesem Fall die regelmäßige fachmännische Überprüfung einer Pumpe, sehr konkret in der Police benannt werden müssen. Sind sie das nicht, kann die Nicht-Beachtung auch nicht zur Kürzung der Versicherungsleistung führen. Das bedeutet aber auch im Gegenzug, dass Versicherungsnehmer sehr genau in den Policen nachlesen müssen, zu was sie verpflichtet sind. Denn wird eine dort genau bezeichnete Obliegenheit missachtet und resultiert daraus ein Schaden, dann kann die Versicherung kürzen.


Es gab doch mal Bestrebungen, den Elementarschutz zum verpflichtenden Baustein der Gebäudeversicherung zu machen. Was ist daraus geworden?

KGS: Bisher hat sich an dieser Stelle noch nichts geändert, das bedeutet, dass Gebäudeversicherungen ohne Elementarschutz immer noch am Markt sind. Das Thema ist aber keineswegs vom Tisch. Wir gehen durchaus davon aus, dass auf kurz oder lang diese Verpflichtung kommt, der zeitliche Horizont ist jedoch schwer abschätzbar.

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Schon seit wir denken können, beobachten wir eine Häufung von Starkregenereignissen im Spätsommer, doch die Intensität entwickelt sich in den letzten Jahren dynamisch. Trauriger Höhepunkt war zuletzt das Jahr 2021. Noch nie haben Naturkatastrophen größere Schäden verursacht als im vergangenen Jahr. Es ist aber nicht nur die Anzahl der Schäden, die aufhorchen lässt. Auch die Schadenhöhe ist bei Naturkatastrophen gewaltig. 42.000 Euro kostet nach Erhebungen des GDV ein einzelner Schaden aus einer Naturkatastrophe im Durchschnitt. Im laufenden Jahr sind wir aktuell schon wieder mitten in dieser Starkregensaison. Grund genug, um das Thema genauer unter die Lupe zu nehmen und gegebenenfalls auch am Versicherungsschutz nachzubessern. Hierzu haben wir uns mit Kerstin Schütte und Karl Georg Schmidt von E+H Versicherungsmakler unterhalten. Sie sind Experten für Gebäudeversicherungen und kennen die Sachlage genau.

Kerstin, nicht jeder empfindet einen Regen gleich. Da stellt sich doch zunächst die Frage, wann wir konkret von Starkregen sprechen.

KS: Es ist in der Tat so, dass es nicht automatisch ein Starkregen ist, wenn es mal stark regnet. Der Begriff des Starkregens ist sehr konkret vom Deutschen Wetterdienst definiert. Es muss hierzu in einer Stunde mehr als 15 Liter pro Quadratmeter regnen oder alternativ mehr als 20 Liter in sechs Stunden.  

Im Versicherungsbereich ist dieser Begriff aber nicht wirklich von Bedeutung. Hier sprechen wir von Elementarschäden und ein solcher Schaden liegt vor, wenn es entweder zu einem Rückstau wegen Überlastung des Kanalsystems oder zu einer Überschwemmung des überwiegenden Teils eines Grundstücks kommt. 

Wenn es um den Nachweis eines solchen Elementarereignisses geht, ist es jedoch ein gutes Indiz, wenn der Deutsche Wetterdienst den vorausgegangenen Regen als Starkregen einordnet. Darüber hinaus ist es immer empfehlenswert, die Überschwemmung fotografisch zu dokumentieren. 

Bei Grenzfällen wie beispielsweise bei einer nur partiellen Überschwemmung kommt es dann auf die Qualität des Rahmenvertrags an. Gute Bedingungswerke schließen solche Grenzfälle häufig ein.


Karl Georg, sind solche Elementarschäden durch die normale Wohngebäudeversicherung abgedeckt oder ist hier ein weitergehender Schutz nötig?

KGS: Für die Deckung von Elementarschäden braucht es unbedingt eine spezielle Elementardeckung. Die normale Wohngebäudeversicherung deckt das nicht automatisch ab. 


Ist so eine Elementardeckung standardmäßig in einem Gebäudeversicherungskonzept enthalten?

KGS: Bei uns im Haus ist das so, aber wir stoßen durchaus immer wieder auf Verträge, die eine Elementardeckung nicht einschließen. Hier sollte man genau hinsehen.

Am Ende ist es eben so, dass der Elementarschutz von den Versicherungsgesellschaften extra kalkuliert wird. Dabei werden die sogenannten Zürs-Zonen zugrunde gelegt, die ein Grundstück nach der individuellen Gefahr für eine Überschwemmung einordnen. Vor diesem Hintergrund können durch ein erhöhtes Risiko für die Elementardeckung durchaus spürbare Mehrkosten entstehen.

Welche Ansprüche sind durch eine Elementardeckung abgedeckt?

KS: Eine gute Elementardeckung deckt alle Substanz- und Beseitigungsschäden ab, das bedeutet sämtliche Aufräum- und Reparaturkosten sowie ein möglicher Mietausfall sind enthalten. Außerdem sind auch Schäden an Einrichtungsgegenständen gedeckt. 


Oft wird davon ausgegangen, dass mit einer Versicherung automatisch jeglicher Besitz in vollem Umfang mitversichert ist. 
Worauf muss man achten, um nicht am Ende auf hohen Kosten sitzen zu bleiben?

KGS: Grundsätzlich ist nichts verlässlich einfach so „mitversichert“. Das bedeutet, dass alles, was man versichert haben möchte, in der Police konkret beschrieben sein muss. Daher ist es unbedingt zu empfehlen, die Policen genau anzusehen oder mit einem spezialisierten Partner zusammen zu arbeiten. Vor dem Hintergrund der oft hohen Schadensummen bei Elementarschäden sollte in der Police auch genau auf eine eventuelle Höchstversicherungsleistung und auf den Selbstbehalt geachtet werden. Dieser wird bei unvorteilhaften Versicherungsverträgen oft anteilig an der Schadenhöhe
berechnet. Bei einer Überschwemmung eines größeren Mehrfamilienhauses kann ein solcher Schaden gut und gerne die Millionengrenze durchbrechen. Bei 10 % Selbstbeteiligung, was nicht ungewöhnlich ist, muss dann ein sechsstelliger Betrag selbst gestemmt werden.

Wenn wir jetzt noch schnell eine solche Versicherung abschließen wollen, greift der Schutz ab dem Tag des Antrags oder gibt es Wartefristen?

KGS: Der Versicherungsschutz greift in der Regel einen 

Monat ab Antragsstellung. Innerhalb dieses Zeitraumes 

werden entstandene Schäden nicht ersetzt.


Gibt es Schadenverhütungsmaßnahmen, die man beachten muss und deren Nichtbefolgen zum 

Ausschluss der Versicherungsleistung führen kann?

KS: Unter bestimmten Voraussetzungen können beispielsweise Rückstauklappen behördlich angeordnet sein. Ist dies der Fall, so müssen diese auch eingebaut, vorschriftsmäßig gewartet und funktionstüchtig sein. Auch weitere individuelle Anordnungen sind denkbar. Darüber hinaus müssen Gebäude natürlich baumängelfrei gehalten werden. Sind diese Dinge nicht gegeben, ist im Versicherungsfall mit Kürzungen zu rechnen. 


Vor wenigen Tagen fällte das OLG Frankfurt zu genau solch einem Fall ein Urteil. Was kann das 

für die Versicherungsnehmer bedeuten?

KS: Genau, das OLG Frankfurt fällte dort ein verbraucherfreundliches Urteil, indem es entschied, dass Pflichten des Versicherungsnehmers, in diesem Fall die regelmäßige fachmännische Überprüfung einer Pumpe, sehr konkret in der Police benannt werden müssen. Sind sie das nicht, kann die Nicht-Beachtung auch nicht zur Kürzung der Versicherungsleistung führen. Das bedeutet aber auch im Gegenzug, dass Versicherungsnehmer sehr genau in den Policen nachlesen müssen, zu was sie verpflichtet sind. Denn wird eine dort genau bezeichnete Obliegenheit missachtet und resultiert daraus ein Schaden, dann kann die Versicherung kürzen.


Es gab doch mal Bestrebungen, den Elementarschutz zum verpflichtenden Baustein der Gebäudeversicherung zu machen. Was ist daraus geworden?

KGS: Bisher hat sich an dieser Stelle noch nichts geändert, das bedeutet, dass Gebäudeversicherungen ohne Elementarschutz immer noch am Markt sind. Das Thema ist aber keineswegs vom Tisch. Wir gehen durchaus davon aus, dass auf kurz oder lang diese Verpflichtung kommt, der zeitliche Horizont ist jedoch schwer abschätzbar.