TITELSTORY: MEHRFAMILIENHÄUSER UND SOLARANLAGEN

Die Energiekosten haben in jüngster Vergangenheit eine immense Dynamik erlebt – Prognosen sind nur schwer zu treffen.

Schon allein diese Entwicklung befeuert die Nachfrage nach autarker Energieerzeugung. Dazu kommt, dass der Gesetzgeber aktuell attraktive Anreize vor allem für die Installation von Photovoltaik-Anlagen zu setzen versucht, um so die Verlagerung der Energieerzeugung zu regenerativen Energiequellen zu unterstützen. So wird der Kaufpreis der Anlagen von der Mehrwertsteuer befreit. Außerdem sind bei Anlagen bis 30 KW – was durchaus einer Anlage ordentlicher Größe entspricht – auch die Erträge steuerfrei, sogar wenn gewonnener Strom ins Netz eingespeist wird. Darüber hinaus verpflichtet das Land Baden-Württemberg als Vorreiter in diesem Bereich ab 2023 Immobilieneigentümer nicht nur bei Neubauten, sondern bereits bei grundlegenden Dachsanierungen zur Installation von Solaranlagen. All das trägt dazu bei, dass auch Immobilienverwalter immer häufiger mit dem Wunsch nach Solaranlagen konfrontiert sein werden. Das wiederum wird Fragen aufkommen lassen.


Die umgangssprachlich „Solarpflicht“ genannte Vorgabe des Landes wirft dabei zunächst mal die Frage auf, was unter einer grundlegenden Dachsanierung zu verstehen ist. „Als grundlegende Dachsanierung gelten Baumaßnahmen, bei denen die Abdichtung oder die Eindeckung eines Daches vollständig erneuert wird. Dies gilt auch bei einer Wiederverwendung von Baustoffen. Eine Erneuerung der darunterliegenden Lattungen oder Schalungen wird nicht vorausgesetzt. Ausgenommen sind aber Baumaßnahmen, die ausschließlich zur Behebung kurzfristig eingetretener Schäden, beispielsweise nach Stürmen, vorgenommen werden“, so E+H Rechtsexperte Thomas Hannemann. Was aber nun, wenn ohne gesetzliche Verpflichtung bei Einzelnen in einer Eigentümergemeinschaft der Wunsch nach einer Solaranlage erwächst? „Dann müssen die Eigentümer zunächst einen genehmigungsfähigen Antrag stellen, der alle erforderlichen Informationen enthält“, so Hannemann. Es müssen also in diesem Stadium bereits alle Details zum Vorhaben wie beispielsweise die genaue Art der Anlage, die Größe, der Installationsort, die auszuführenden Anschlüsse und weitere Angaben von den handelnden Eigentümern präsentiert werden.


Der Hausverwalter hat diesen Antrag dann regulär für die nächstmögliche Eigentümerversammlung vorzusehen und dort hat die Gemeinschaft darüber abzustimmen. „Erfolgreich ist der Antrag dann, wenn er eine einfache Mehrheit erzielt, das bedeutet mehr Ja- als Nein-Stimmen“, ergänzt Hannemann. In der Folge ist es nach § 21 I WEG grundsätzlich so, dass die zustimmenden Eigentümer dann die gesamten Kosten zu tragen haben, aber auch die Nutzung der Anlage exklusiv für sich beanspruchen können. „§ 21 II WEG sieht hier allerdings Ausnahmen vor, deren Voraussetzungen im Einzelfall zu prüfen sind“, so der Rechtsexperte. Überlegen es sich Eigentümer, die zunächst dagegen gestimmt haben und an den Kosten nicht beteiligt wurden, nach einiger Zeit anders, begründet § 21 IV WEG einen Anspruch, nach dem ihm gegen einen angemessenen Ausgleich auch nachträglich die Nutzung gestattet werden muss.

MACHEN ES BALKONKRAFTWERKE EINFACHER?

Vielen schwebt auch immer häufiger ein sogenanntes Balkonkraftwerk vor, also eine Solaranlage im Mini-Format, die in der Regel am Balkon eines einzelnen Eigentümers angebracht wird. Aber „auch das ist eine bauliche Veränderung, zu der weder der Bewohner noch der Eigentümer eigenmächtig berechtigt sind“, weiß Thomas Hannemann. Auch eine solche Mini-Anlage muss also beantragt und mit einfacher Mehrheit genehmigt werden.


AUCH DIE GEBÄUDEVERSICHERUNG MUSS BETRACHTET WERDEN

Ist die Anlage dann, oder im Idealfall schon vorher, installiert und am Netz, müssen potenzielle Risiken und deren Absicherung bewertet werden. Gerade bei den hocheffizienten Photovoltaik-Anlagen, die im Gegensatz zu Solarthermie-Anlagen elektrischen Strom erzeugen, kommt bei einer Beschädigung häufig noch der Ausfall der einkalkulierten Einspeisevergütung hinzu. Es ist zu prüfen, ob die vorhandene Gebäudeversicherung diese Schäden deckt oder ob gegebenenfalls eine spezielle Photovoltaik-Police nötig wird. „Bei uns im Haus sind Schäden an der Anlage generell Bestandteil der Hausverwalterrahmenverträge und damit sind solche Anlagen auch gegen die dort eingeschlossenen Gefahren wie Feuer, Leitungswasser, Sturm, Hagel oder Elementarschäden versichert.

Wer sich darüber hinaus aber auch gegen Diebstahl, technische Gefahren wie Bedienungs- oder Materialfehler oder den Ausfall der Einspeisevergütung absichern möchte, sollte über eine Ergänzung durch eine spezielle PV-Police nachdenken. Ist man sich generell nicht zu 100 % sicher, ist eine Meldung bei Versicherer auf jeden Fall angeraten, um seinen genauen Versicherungsumfang festzustellen“, so Karl Georg Schmidt, Experte für Gebäudeversicherungen bei E+H. „Eine Unterscheidung zwischen Photovoltaik- und Solarthermie-Anlagen macht die Gebäudeversicherung dabei nicht.

Anders die Mitversicherung von Balkonkraftwerken, diese wird von den Versicherern teilweise höchst unterschiedlich gehandhabt: von der standardmäßigen Mitversicherung über die Gebäudeversicherung über Auflagen zur Befestigung bis hin zur Mitversicherung über die Hausratversicherung ist so ziemlich jede Regelung vertreten“, so Schmidt weiter. Wichtig an dieser Stelle ist es zu überprüfen, ob eine entsprechende Haftpflichtdeckung vorhanden ist, die Schäden, die beispielsweise durch herunterfallende Teile verursacht werden, beinhaltet. „Auch hier ist zwischen Anlagen der Gemeinschaft, für die in guten Rahmenverträgen auch eine Haftpflichtdeckung eingeschlossen ist, und privaten Anlagen im Sondereigentum, bei denen der Versicherungsschutz auch an dieser Stelle genau zu prüfen ist, zu unterscheiden“, weiß der Experte. Und auch die Wertsteigerung an einem Gebäude durch die Installation einer Solaranlage ist nicht zu vernachlässigen. „Wenn die Gebäudeversicherung auf dem Wert-1914-Modell basiert, lauert hier das Risiko der Unterversicherung, auch wenn ein Unterversicherungsverzicht Bestandteil der Police ist“, so Schmidt. Der Unterversicherungsverzicht ist bei Verträgen mit dem immer noch verbreiteten Wert-1914-Modell auf die eingetragene Versicherungssumme beschränkt, die dann bei Wertsteigerungen immer wieder angepasst werden muss. „Das ist übrigens nicht nur bei Modernisierungen wie dem Einbau einer Solaranlage ein Problem, sondern auch bei Entwicklungen der Marktpreise. Die Lösung, die ich jedem empfehlen würde, ist ein Vertrag nach dem Wohneinheitenmodell, da hier immer die Ab­deckung der gesamten Wiederherstellungskosten gesichert ist, sobald die Anzahl der Einheiten im Gebäude korrekt angegeben ist“, ergänzt Schmidt.

Der Trend zu Solaranlagen verschiedenster Art ist also auch für Immobilienmanager durchaus positiv zu werten, wenn man die Stolpersteine kennt. Ist dies nicht der Fall, lauern aber immer wieder auch Haftungsfallen, die nicht zu unterschätzen sind und gegen die im Zweifel der Rat eines Experten wirksam Abhilfe schaffen kann.

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Schon allein diese Entwicklung befeuert die Nachfrage nach autarker Energieerzeugung. Dazu kommt, dass der Gesetzgeber aktuell attraktive Anreize vor allem für die Installation von Photovoltaik-Anlagen zu setzen versucht, um so die Verlagerung der Energieerzeugung zu regenerativen Energiequellen zu unterstützen. So wird der Kaufpreis der Anlagen von der Mehrwertsteuer befreit. Außerdem sind bei Anlagen bis 30 KW – was durchaus einer Anlage ordentlicher Größe entspricht – auch die Erträge steuerfrei, sogar wenn gewonnener Strom ins Netz eingespeist wird. Darüber hinaus verpflichtet das Land Baden-Württemberg als Vorreiter in diesem Bereich ab 2023 Immobilieneigentümer nicht nur bei Neubauten, sondern bereits bei grundlegenden Dachsanierungen zur Installation von Solaranlagen. All das trägt dazu bei, dass auch Immobilienverwalter immer häufiger mit dem Wunsch nach Solaranlagen konfrontiert sein werden. Das wiederum wird Fragen aufkommen lassen.


Die umgangssprachlich „Solarpflicht“ genannte Vorgabe des Landes wirft dabei zunächst mal die Frage auf, was unter einer grundlegenden Dachsanierung zu verstehen ist. „Als grundlegende Dachsanierung gelten Baumaßnahmen, bei denen die Abdichtung oder die Eindeckung eines Daches vollständig erneuert wird. Dies gilt auch bei einer Wiederverwendung von Baustoffen. Eine Erneuerung der darunterliegenden Lattungen oder Schalungen wird nicht vorausgesetzt. Ausgenommen sind aber Baumaßnahmen, die ausschließlich zur Behebung kurzfristig eingetretener Schäden, beispielsweise nach Stürmen, vorgenommen werden“, so E+H Rechtsexperte Thomas Hannemann. Was aber nun, wenn ohne gesetzliche Verpflichtung bei Einzelnen in einer Eigentümergemeinschaft der Wunsch nach einer Solaranlage erwächst? „Dann müssen die Eigentümer zunächst einen genehmigungsfähigen Antrag stellen, der alle erforderlichen Informationen enthält“, so Hannemann. Es müssen also in diesem Stadium bereits alle Details zum Vorhaben wie beispielsweise die genaue Art der Anlage, die Größe, der Installationsort, die auszuführenden Anschlüsse und weitere Angaben von den handelnden Eigentümern präsentiert werden.


Der Hausverwalter hat diesen Antrag dann regulär für die nächstmögliche Eigentümerversammlung vorzusehen und dort hat die Gemeinschaft darüber abzustimmen. „Erfolgreich ist der Antrag dann, wenn er eine einfache Mehrheit erzielt, das bedeutet mehr Ja- als Nein-Stimmen“, ergänzt Hannemann. In der Folge ist es nach § 21 I WEG grundsätzlich so, dass die zustimmenden Eigentümer dann die gesamten Kosten zu tragen haben, aber auch die Nutzung der Anlage exklusiv für sich beanspruchen können. „§ 21 II WEG sieht hier allerdings Ausnahmen vor, deren Voraussetzungen im Einzelfall zu prüfen sind“, so der Rechtsexperte. Überlegen es sich Eigentümer, die zunächst dagegen gestimmt haben und an den Kosten nicht beteiligt wurden, nach einiger Zeit anders, begründet § 21 IV WEG einen Anspruch, nach dem ihm gegen einen angemessenen Ausgleich auch nachträglich die Nutzung gestattet werden muss.

MACHEN ES BALKONKRAFTWERKE EINFACHER?

Vielen schwebt auch immer häufiger ein sogenanntes Balkonkraftwerk vor, also eine Solaranlage im Mini-Format, die in der Regel am Balkon eines einzelnen Eigentümers angebracht wird. Aber „auch das ist eine bauliche Veränderung, zu der weder der Bewohner noch der Eigentümer eigenmächtig berechtigt sind“, weiß Thomas Hannemann. Auch eine solche Mini-Anlage muss also beantragt und mit einfacher Mehrheit genehmigt werden.


AUCH DIE GEBÄUDEVERSICHERUNG MUSS BETRACHTET WERDEN

Ist die Anlage dann, oder im Idealfall schon vorher, installiert und am Netz, müssen potenzielle Risiken und deren Absicherung bewertet werden. Gerade bei den hocheffizienten Photovoltaik-Anlagen, die im Gegensatz zu Solarthermie-Anlagen elektrischen Strom erzeugen, kommt bei einer Beschädigung häufig noch der Ausfall der einkalkulierten Einspeisevergütung hinzu. Es ist zu prüfen, ob die vorhandene Gebäudeversicherung diese Schäden deckt oder ob gegebenenfalls eine spezielle Photovoltaik-Police nötig wird. „Bei uns im Haus sind Schäden an der Anlage generell Bestandteil der Hausverwalterrahmenverträge und damit sind solche Anlagen auch gegen die dort eingeschlossenen Gefahren wie Feuer, Leitungswasser, Sturm, Hagel oder Elementarschäden versichert.

Wer sich darüber hinaus aber auch gegen Diebstahl, technische Gefahren wie Bedienungs- oder Materialfehler oder den Ausfall der Einspeisevergütung absichern möchte, sollte über eine Ergänzung durch eine spezielle PV-Police nachdenken. Ist man sich generell nicht zu 100 % sicher, ist eine Meldung bei Versicherer auf jeden Fall angeraten, um seinen genauen Versicherungsumfang festzustellen“, so Karl Georg Schmidt, Experte für Gebäudeversicherungen bei E+H. „Eine Unterscheidung zwischen Photovoltaik- und Solarthermie-Anlagen macht die Gebäudeversicherung dabei nicht.

Anders die Mitversicherung von Balkonkraftwerken, diese wird von den Versicherern teilweise höchst unterschiedlich gehandhabt: von der standardmäßigen Mitversicherung über die Gebäudeversicherung über Auflagen zur Befestigung bis hin zur Mitversicherung über die Hausratversicherung ist so ziemlich jede Regelung vertreten“, so Schmidt weiter. Wichtig an dieser Stelle ist es zu überprüfen, ob eine entsprechende Haftpflichtdeckung vorhanden ist, die Schäden, die beispielsweise durch herunterfallende Teile verursacht werden, beinhaltet. „Auch hier ist zwischen Anlagen der Gemeinschaft, für die in guten Rahmenverträgen auch eine Haftpflichtdeckung eingeschlossen ist, und privaten Anlagen im Sondereigentum, bei denen der Versicherungsschutz auch an dieser Stelle genau zu prüfen ist, zu unterscheiden“, weiß der Experte. Und auch die Wertsteigerung an einem Gebäude durch die Installation einer Solaranlage ist nicht zu vernachlässigen. „Wenn die Gebäudeversicherung auf dem Wert-1914-Modell basiert, lauert hier das Risiko der Unterversicherung, auch wenn ein Unterversicherungsverzicht Bestandteil der Police ist“, so Schmidt. Der Unterversicherungsverzicht ist bei Verträgen mit dem immer noch verbreiteten Wert-1914-Modell auf die eingetragene Versicherungssumme beschränkt, die dann bei Wertsteigerungen immer wieder angepasst werden muss. „Das ist übrigens nicht nur bei Modernisierungen wie dem Einbau einer Solaranlage ein Problem, sondern auch bei Entwicklungen der Marktpreise. Die Lösung, die ich jedem empfehlen würde, ist ein Vertrag nach dem Wohneinheitenmodell, da hier immer die Ab­deckung der gesamten Wiederherstellungskosten gesichert ist, sobald die Anzahl der Einheiten im Gebäude korrekt angegeben ist“, ergänzt Schmidt.

Der Trend zu Solaranlagen verschiedenster Art ist also auch für Immobilienmanager durchaus positiv zu werten, wenn man die Stolpersteine kennt. Ist dies nicht der Fall, lauern aber immer wieder auch Haftungsfallen, die nicht zu unterschätzen sind und gegen die im Zweifel der Rat eines Experten wirksam Abhilfe schaffen kann.